Ausgangssituation

Im Bereich der Notfallversorgung besteht derzeit ein erheblicher Handlungsbedarf. So ist seit dem Jahr 2000 ein rasanter Anstieg der Fallzahlen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser zu beobachten. Jährlich werden etwa 21 Mio. Patienten in den Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser versorgt. Dabei sind Steigerungsraten der Fallzahlen von 4-8 % pro Jahr zu verzeichnen (1).

Wesentliche Ursachen liegen in der Änderung der vertragsärztlichen Versorgungsstrukturen, insbesondere des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstsystems (2). Aus einer räumlichen und personellen Erweiterung der Dienstbezirke sowie der Allokation von Bereitschaftsdienstpraxen der kassenärztlichen Vereinigung, vorzugweise an Krankenhäusern, resultieren längere Wegstrecken für Notfallpatienten. Dadurch hat insbesondere der Anteil ambulanter Notfallbehandlungen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser überproportional zugenommen (3). Weitere sind in der demographischen Entwicklung, der zunehmenden Multimorbidität der Notfallpatienten sowie den patientenseitig erwarteten Qualitätsvorteilen bei aufsuchen eines Krankenhauses begründet.

Die aktuelle Versorgungsrealität in den Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser ist somit durch eine rezidivierend auftretende Überlastung –sogenannten Overcrowding Szenarien– gekennzeichnet (4). Die Folgen sind eine Erhöhung der Risiken der notfallmedizinischen Versorgung bei begrenzten Ressourcen sowie gesundheitsökonomisch steigende Kosten der Notfallbehandlung infolge nicht gerechtfertigter stationärer Aufenthalte (5).

Neben der Belastung für Patienten durch lange Wartezeiten und einer Verlängerung ihres Pfades durch das Versorgungssystem, ist dies besonders kritisch, da Notfallpatienten schnellstmöglich einer Notfalldiagnostik und –therapie bedürfen, diese möglicherweise aber durch eine nicht-adäquate Inanspruchnahme der Notaufnahmen eine benötigte Versorgungsressource bindet (6).

Die Herausforderung in der notfallmedizinischen Versorgung besteht demnach auch darin, immer mehr Behandlungsfälle einer raschen, kompetenten und strukturierten Ersteinschätzung zuzuführen, um somit schnellstmöglich die Behandlungsdringlichkeit und adäquate Versorgungstufe zu beurteilen. Die bisherige Versorgungslandschaft sieht eine solche strukturierte Ersteinschätzung bisher nicht vor.

  1. Schöpke T; Dodt C; Brachmann M; Schnieder W; Petersen PF; Böer J (2014) Statusbericht aus deutschen Notaufnahmen. Ergebnisse der DGINA-Mitgliederbefragung 2013. Notfall Rettungsmed 17:660-670
  2. Osterloh F (2010) Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Größere Bezirke, weniger Dienste. Dtsch Ärztebl 107: A 2152- 2154 KHSG
  3. Haas C; Larbig M; Schöpke T; Lübke-Naberhaus KD; Schmidt C; Brachmann M; Dodt C (2015) Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus – Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse. http://www.dkgev.de/media/file/19401.2015-02-17_Gutachten_zur_ambulanten_Notfallversorgung_im_Krankenhaus_2015.pdf, Stand: 22.10.2018
  4. Treczak S (2013) Überfüllte Notaufnahme – Ursachen, Folgen und Lösungen. Notfall Rettungsmed 16:103-108
  5. Bernstein SL1, Aronsky D, Duseja R, Epstein S, Handel D, Hwang U, McCarthy M, John McConnell K, Pines JM, Rathlev N, Schafermeyer R, Zwemer F, Schull M, Asplin BR; MPH, Society for Academic Emergency Medicine, Emergency Department Crowding Task Force (2008) The effect of emergency department crowding on clinically oriented outcomes. Acad Emerg Med 16:1-10
  6. Riessen R; Seekamp A; Gries A; Dodt C; Kumle B; Busch HJ (2015) Positionspapier für eine Reform der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland. Med Klin Intensivmed Notfmed 110:364-375

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